Was passiert, wenn einem langweilig ist? Na klar, man kommt auch irgendwelche komischen Ideen. Und meine Idee für den heutigen Tag ist es, mir Blanes neues Spielzeug mal ganz genau anzuschauen. Helena soll sie heißen und angeblich total schüchtern und unscheinbar sein. Da fragt man sich natürlich, wo er die gefunden hat und was an ihr so besonders ist. Ein unauffälliges Mädchen aus einer der untersten Gesellschaftsschichten wird von jungem Mann aus guten Hause gefunden, mit teuren Kleidern beschenkt und abends ausgeführt. Das hat definitiv Potential ein neue Märchenverfilmung von Walt Disney zu werden.
Jetzt stehe ich im Eingang des Cafés und schaue mich um. Glücklicherweise sieht es von Innen nicht ganz so schäbig aus wie von außen. Trotzdem frage ich mich, was Blane hier überhaupt zu suchen hatte. Kurz werfe ich auf die paar Kellnerinnen einen Blick und muss mit Bedauern feststellen, dass die irgendwie alle recht unscheinbar sind. Vielleicht ein Einstellkriterium? Um nicht weiter dumm herumzustehen und zu spekulieren, wer denn jetzt Helena sein könnte, gehe ich zur Theke und lächle mir einen der Kellner herbei. "Hey, ich suche eine Helena. Ich habe gehört, dass sie hier arbeiten soll", erkläre ich ihm freundlich mit einem zuckersüßen Lächeln, worauf er auch gleich nach dem Mädchen ruft.

Helena befand sich zusammen, mit einer ihrer vielen Arbeitskolleginnen in der Vorratskammer, um die monatliche Inventur durchzuführen. Einige Lebensmittel mussten dringend nachbestellt werden! Natürlich handelte es sich bei dem gemütlichen Café nicht um ein Restaurant, aber gewisse Speisen standen dennoch auf der Karte und wurden regelmässig von Kunden verlangt. Die Stimme einer weiteren Arbeitskollegin, welche sich in die Kammer gesellt hatte, riss sie aus ihrer Konzentration. Eine Kundin wartete auf sie, wenn Helena ihre Kollegin richtig verstanden hatte. Merkwürdig. Normalerweise verlangte man nicht nach ihr. Wer könnte das sein? Jemand, den sie von früher kannte? Die 18 Jährige richtete ihre Arbeitskleidung, fuhr sich einmal schnell durch die Haare, um nicht allzu zerzaust auszusehen, und begab sich in den vorderen Teil des Geschäftes. An der Theke stand eine junge Dame, die Helena noch nie zuvor gesehen hatte. Wer war sie und was wollte die Unbekannte von ihr? Sie würde es gleich erfahren. Die Brünette lächelte freundlich und wandte sich ihrem Gegenüber zu. ,, Sie haben nach mir verlangt?‘‘ Zum Glück konnte Helena ihre Schüchternheit im Café grösstenteils ablegen. Es gehörte zu ihrer Arbeit, offen auf Kunden zu zugehen und diese freundlich zu bedienen. Da konnte sie nicht einfach anfangen rum zu stottern, wie es in ihrer Freizeit der Fall war.

Aus einem Nebenraum kommt eine brünette junge Frau. Oder hatte sie rötliches Haar? Das ließ sich in dem Licht hier drin nicht richtig erkennen. Während sie auf mich zukommt, mustere ich sie mehrmals von oben bis unten. Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. Okay, sie ist ganz süß, aber das wars dann auch schon fast. In Blanes übliches Beuteschema passt sie auch nicht so richtig. Da musste er sie mit ein paar teuren Klamotten schon ganz schön verwandelt haben.
,, Sie haben nach mir verlangt?‘‘ Sie? Vielen Dank auch. Ich bezweifle, dass ich älter als sie bin. Ich reichte ihr die Hand. "Olive Lockwood", stellte ich mir kurz und knapp vor. Jetzt schaue ich mir das Mädchen nochmal von Nahem an. Immer noch ganz süß und sie hat durchaus Potential. Wobei, mit dem richtigen Make Up hat ja so gut wie jeder Potential irgendwie besser auszusehen. Also auch wieder nichts besonderes. "Ich bin eine Freundin von Blane", erzähle ich dann lächelnd weiter. "Er scheint ja total verrückt nach dir zu sein und deshalb musste ich dich einfach kennenlernen." Okay, das ist total gelogen. Vielleicht mag er sie, jedoch hat er keine Anzeichen gegeben, dass er sie so sehr mag, dass er nur im geringsten verrückt nach ihr sein könnte. "Du hast sicher kurz Zeit", sage ich dann und stelle damit definitiv keine Frage.

Sie stellte sich mit ihrem Namen vor und reichte Helena die Hand, welche sie kurz schüttelte. Olive Lockwood. Ihr Name sagte der Brünetten gar nichts. Handelte es sich bei ihr um eine Person, die man kennen sollte? Jemand Einflussreiches? Vielleicht die Tochter des Bürgermeisters? ,, Helena Richardson, wie dir bereits bekannt ist.‘‘ Woher kannte Olive sie? Sie kam einfach nicht hinter das Rätsel, aber es dauerte nicht lange und Olive erzählte ihr den Grund für ihre Anwesenheit. Es handelte sich bei ihr um eine Freundin von Blane. Hoffentlich nicht seine feste Freundin, denn auf Ärger konnte die 18 Jährige gut verzichten. Wobei sie nichts Falsches getan hatte. ,, Ich kenne ihn erst seit wenigen Tagen.‘‘ Unmöglich das jemand, wie er verrückt nach Helena sein könnte. Sie war langweilig, genoss es in ihrer Freizeit ein Buch zu lesen und legte absolut keinen Wert auf teure Klamotten. Das genaue Gegenteil von ihm. Mit einem Handzeichen machte Helena ihrer Arbeitskollegin klar, dass die Sache etwas länger dauern könnte. ,, Wollen wir uns setzen?‘‘

Ihr Nachname war mir vorher nicht bekannt gewesen, sagt mir jetzt jedoch auch nichts. Helena Richardson, noch nie irgendetwas von ihr gehört. ,, Wollen wir uns setzen?‘‘ - "Klar", erwidere ich zügig und setze mich an einen der leeren Tische. "Ehrlich? Ihr kennt euch erst seit wenigen Tagen?", frage ich mit gespielter Überraschung als Helena sich gesetzt hat. "Dann hast du es ja ganz schön schnell hinbekommen, ihm den Kopf zu verdrehen", stelle ich mit einem vielleicht zu begeistertem Grinsen fest. "Dass er dir gleich so ein teures Kleid schenkt... Das macht Blane wirklich nicht für jede." Haha, wieso auch? Im Grunde genommen haben wir ja auch alle genug Geld, um uns alles, was wir uns erträumen, selbst zu kaufen.
Ich winke eine der Kellnerinnen heran, um mir eine heiße Schokolade zu bestellen. Helena hat schließlich gerade Pause. "Du musst das nächste Mal, wenn wir feiern gehen, uuuuuunbeeedingt mitkommen!", fordere ich begeistert auf. "Das wird supeeer!" Super peinlich für dich, Schätzchen, denn eine Kellnerin gehört einfach nicht zu uns.

Helena platzierte sich auf der Bank gegenüber von Olive. Das Gespräch war ihr unangenehm. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, um nicht allzu bescheuert zu wirken. Bestimmt hatte ihr Gegenüber ein hübsches Mädchen erwartet. Eine Partymaus und nicht wie sie ein Stubenhocker, der Bücher, Partys und Alkohol vorzog. Fast war es ihr peinlich das Olive auf eine Person, wie sie treffen musste. ,, Er hat es nur aus reiner Höflichkeit getan.‘‘ Oder, dass er sich mit mir nicht schämen muss. Ihre Gedanken sprach Helena nicht laut aus. Verdammt! Im Gegensatz zu Olive, die recht überzeugend wirkte, befand sich ihr Selbstbewusstsein im Keller. Sie hatte sich schon zuvor gefragt, was jemand wie Blane von ihr wollen könnte, war aber nie auf eine Antwort gekommen. Ob sie für ihn einfach ein netter Zeitvertreib war? ,, Nein, das war eine einmalige Sache. Seine Freunde waren zwar richtig nett zu mir, aber ich glaube nicht, dass ich in einen so edlen Club passe.‘‘, lehnte sie Olives Angebot höflich ab. Sie wäre schon damals hilflos im Club untergegangen, wenn Blane nicht dabei gewesen wäre und ihr hin und wieder ein Lächeln entlockt hätte.

Aus reiner Höflichkeit? In welcher Welt lebt dieses Mädchen denn bitte?
Klar, aus reiner Höflichkeit lädt man eine belanglose Kellnerin auf einen Partyabend ein und bezahlt auch noch ihr Outfit. Sowas passiert ständig. Alle höflichen Menschen tun sowas. Als ob. "Niemand tut sowas einfach nur aus reiner Höflichkeit", kläre ich sie dann nüchtern auf. Ist sie immer so wenig von sich selbst überzeugt? Dafür sieht sie doch noch zu gut aus. Ein bisschen Selbstbewusstsein hat noch niemandem geschadet.
,, Nein, das war eine einmalige Sache. Seine Freunde waren zwar richtig nett zu mir, aber ich glaube nicht, dass ich in einen so edlen Club passe.‘‘ - "Also hat es dir nicht gefallen?" Fragend ziehe ich die Augenbrauen hoch und sehe Helena eindringlich an. "Oder...", ich stoppe kurz um einmal zu nicken, "Blane gefällt dir nicht." Ich seufze. Eine der Kellnerinnen serviert mir meine heiße Schokolade, von der ich sofort einen kleinen Schluck trinke. "Das wird er sicher verstehen." Aufmunternd lächle ich die junge Frau mir gegenüber an.

Wenn Helena über Olives Worte nachdachte, bemerkte sie, dass durchaus ein Stück Wahrheit dahinter stecken könnte. Welchen Nutzen sah Blane darin sie in einen Club einzuladen, ihr die Getränke sowie das teure Kleid zu bezahlen? ,, Er bestand darauf mich in den Club mitzunehmen und mir zu zeigen, dass es freundliche Charaktere unter den Partymenschen gibt. Vielleicht war es ein Spiel für ihn?‘‘ Keine Ahnung. Helena wusste nicht, welche Gedanken durch Blanes Kopf schossen. Olive würde da bestimmt besser informiert sein, wenn es sich bei ihr wirklich um die beste Freundin von ihm handelte. ,, Doch! Es war ziemlich amüsant.‘‘, schoss es aus ihrem Mund. Sie wollte keinen falschen Eindruck erwecken oder unhöflich erscheinen. In der Tat hatte ihr der Clubbesuch sehr gefallen, aber für sie war die Geschichte damit abgeschlossen. Genauso wie es bei Cinderella der Fall gewesen war. Helena lass definitiv zu viele Bücher, wenn sie sich schon mit Cinderella verglich. Natürlich mit einigen Unterschieden. Den Schuh hatte die 18 Jährige heil nach Hause gebracht und Blane wusste, wer sie war. Zudem hatte sie bei keinem Prinzen das Interesse geweckt, was auch gar nicht ihr Ziel gewesen war. ,, Das habe ich nicht gesagt.‘‘ Ihr war es peinlich über das Aussehen von Blane zu reden. Das klang so oberflächlich und Helena mochte Oberflächlichkeit nicht. ,, Er ist sehr aufgeschlossen und ziemlich stur.‘‘ Ein Lächeln konnte sich die Kellnerin nicht verkneifen. Und Nein – Sie war nicht verliebt!

"...Vielleicht war es ein Spiel für ihn?‘‘ Gut, dass ich gerade nichts getrunken habe, sonst hätte ich es möglicherweise entsetzt ausgespuckt. Oder mich böse verschluckt. Beides nicht unbedingt gut. Aber wie kann sie denn sowas sagen? Keine Ahnung, was Blanes wirklicher Plan war. Allerdings habe ich bislang das Gefühl gehabt, dass Helena dieses Gespräch ernst nahm, ganz im Gegenteil zu mir. Für mich war es einfach nur eine bessere Alternative als mich alleine zu langweilen. "Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst." Wer lässt sich teuer beschenken, wenn man sowieso davon ausgeht, dass das alles nur ein Spiel ist? Hmm, vielleicht ist sie doch nicht so langweilig.
,, Doch! Es war ziemlich amüsant.‘‘ - "Wow, das kam jetzt aber ganz schön schnell", erwiderte ich mit einem breiten Grinsen. ,, Er ist sehr aufgeschlossen und ziemlich stur.‘‘ Mit einem vielsagendem Gesichtsausdruck sehe ich Helena weiterhin grinsend an. "Also doch nicht so übel?", ich ziehe die Augenbrauen hoch und setze mir die Tasse wieder an die Lippen, um einen Schluck zu trinken. "Was spricht dann dagegen, uns das nächste Mal wieder zu begleiten?"

,, Ich kenne ihn kaum.‘‘ Die Beiden hatten vielleicht vier oder fünf Stunden miteinander verbracht. So schnell konnte Helena kein Urteil fällen. Vom ersten Eindruck her mochte sie Blane, denn seine Arroganz schien zähmbar zu sein. Die Kellnerin hatte schon viel schlimmere Personen erlebt. Solche, die mit dem Geld um sich warfen, und glaubten selbst Freundschaft damit kaufen zu können. Totaler Schwachsinn! ,, Meistens fälle ich ein Urteil erst, wenn ich mein Gegenüber kenne.‘‘ Auf Vorurteile hören tat die 18 Jährige sowieso nicht. Das wäre unfair, wie sie selbst fand. Meist entpuppte sich der Betroffene, als ganz anders als die Gerüchte es beschreiben. ,, Ich will euch nicht an der Backe kleben. Bestimmt habt ihr ganz andere Pläne als Zeit mit mir zu verbringen.‘‘ Es war freundlich gemeint von Olive, aber sie wollte der Clique nicht dauernd am Schuh kleben, wie es ein Kaugummi tat. Womöglich waren gar nicht alle ihrer Freunde einverstanden, wenn Helena Zeit mit ihnen verbrachte. Es würde nur zu Ärger und Streitereien führen.

Sie kennt ihn kaum und nimmt trotzdem seine Geschenke an. Schlaues Mädchen. Jedoch kann sie mit so einem Verhalten auch schnell an wen falsches gelangen, schließlich bekam man teure Geschenke nicht von allen Männern so ganz ohne Gegenleistung. ,, Meistens fälle ich ein Urteil erst, wenn ich mein Gegenüber kenne.‘‘ Das einzige was mir dazu einfällt ist: "Süß." Wirklich süß. Und in meinen Augen irgendwie realitätsfern. Ich zumindest bilde mir meine Meinung über einen Menschen bereits in den ersten paar Minuten. Klar, diese Meinung kann sich während dem Kennenlernen noch ändern, aber ich warte mit meinem Urteil doch sicher nicht, bis ich die Person so richtig kenne. Keiner macht das.
,, Ich will euch nicht an der Backe kleben. Bestimmt habt ihr ganz andere Pläne als Zeit mit mir zu verbringen.‘‘ Oh. Mein. Gott. Wie anstrengend. Es war auch nicht der Plan, sie jetzt die ganze Zeit überreden zu wollen, nochmal mitzukommen. Wer nicht will, der hat schon. "Solltest du die wegen deinem Aussehen Gedanken machen. Das kriegen wir schon hin. Ich kann mir dir Shoppen gehen." Und zum Friseur.

Shoppen? Das Wort reicht aus, um Helena endgültig in die Flucht zu schlagen. Es gab nichts Lästigeres als von Geschäft zu Geschäft bummeln und sich irgendwelche Kleidungsstücke anzusehen. Das war… langweilig? Vielleicht konnte es interessanter werden, wenn man sich von den richtigen Leuten helfen liess, aber die 18 Jährige wollte nicht. Was brachte es schon die Kellnerin in Kleider zu stecken, die sie später nicht mehr anziehen würde? Genau wie das wunderschöne Kleid von Blane würden die Stoffe nur unbenutzt in ihrem Schrank hängen und langsam verstauben. Es war schade darum. Um ehrlich zu sein, fand Helena ihren Kleidungsgeschmack nicht allzu übel. An Jeans und schlichten Oberteilen konnte man nichts falsch machen. Wobei dieses Outfit bei der Oberschicht bestimmt als Kleidung für Arme bezeichnet wurde. ,, Danke für das Angebot, aber du brauchst dir nicht extra wegen mir die Mühe zu machen.‘‘ Garantiert könnte Olive ihre Zeit sinnvoller nutzen als mit einem Mauerblümchen durch die Einkaufsstrassen zu laufen. ,, Im Notfall liesse sich das wunderbare Kleid bestimmt auch mehrere Male tragen.‘‘ Wenn Helena daran dachte, welche Kleider die Damen im Nachtclub am Leib getragen hatten, wurde ihr schwindelig. Keines davon sah günstig aus. Sie könnte sich solche Designerware niemals leisten. ,, Wie gestaltet ihr eure Freizeit, wenn ihr euch nicht in einem Club befindet?‘‘, hackte die Brünette neugierig nach. Ob die Clique ins Kino ging? Oder Eis essen? Sie konnte es sich fast nicht vorstellen.

,, Im Notfall liesse sich das wunderbare Kleid bestimmt auch mehrere Male tragen.‘‘ Jetzt ist es so weit, ich verschlucke mich an meinem Kakao und muss mehrere Male heftig husten. Und als wenn meine Reaktion auf diese Frage nicht reichen würde, frage ich nochmal entsetzt nach: "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Die Frage ist eigentlich total überflüssig, schließlich weiß ich ganz genau, dass sie das verdammt ernst gemeint hat. Jede normale junge Frau macht sich den ganzen Tag über das Outfit für den Abend Gedanken und Helena? Sie hat vor, jedes Mal dasselbe Kleid anzuziehen. Albtraum. Absoluter Albtraum.
,, Wie gestaltet ihr eure Freizeit, wenn ihr euch nicht in einem Club befindet?‘‘ Was für eine doofe Frage. Dasselbe wie normale Menschen auch? "Sex an öffentlichen Orten und so", sage ich trocken und zucke mit den Schultern. "Das Übliche halt." Ohne eine Miene zu verziehen trinke ich noch einen Schluck von der heißen Schokolade.

Olive hustete heftig, als sie sich an ihrem Getränk verschluckte. Automatisch zuckte eine Augenbraue von Helena nach oben. ,, Was ist falsch daran, ein Kleid mehrere Male anzuziehen?‘‘ Tat dies nicht jeder normale Mensch? In ihrem Schrank befanden sich Klamotten, welche die Brünette wöchentlich anzog. Das Geld um jeden Tag etwas anderes anzuziehen, fehlte einfach. Man musste reich sein, um dies zu vermögen und Abendkleider zählten bekanntlich nicht zu den billigsten Stoffen. Sex an öffentlichen Orten? Helena nahm ihre Worte als Scherz auf, denn der Gedanke daran war für sie abstossend. Dazu war sie einfach zu verklemmt. ,, Das war mir schon klar, aber habt ihr nichts Spezielles? Also ein Zeitvertreib, zu dem ihr euch öfters trefft?‘‘ Ausser Partys, natürlich. Die 18 Jährige hatte sich früher oft mit ihren wenigen Freunden an einem festen Tag in der Woche zum Billard spielen verabredet, aber die Arbeit kam ihr nun dazwischen.

Das hat sie nicht gefragt. Das hat sie jetzt nicht gefragt. Das hat sie wirklich nicht gefragt. Doch, hat sie. Jeder will sich selbst am Besten darstellen. Jedes Mal besser, schöner, atemberaubender sein als beim letzten Mal. Man will sich von seiner besten Seite zeigen, sich jedes Mal neu erfinden. Und keiner will langweilig sein. Und jedes Mal dasselbe Kleid zu tragen, wäre definitiv langweilig. Und wer will sich mit langweilen Leuten abgeben? Keiner. "Vergiss es." Sie würde es nie verstehen. Vermutlich gehört sie zu den Menschen, die sogar in Jogginghose aus dem Haus gehen würden. Schrecklich.
,, Das war mir schon klar, aber habt ihr nichts Spezielles? Also ein Zeitvertreib, zu dem ihr euch öfters trefft?‘‘ Wow, ich bin erstaunt. Sie hat es offenbar verstanden. "Was Spezielles? Manchmal haben wir Fesseln, Peitschen und solche Dinge dabei. Wenn du es so genau wissen willst.... Und eigentlich ist es der Zeitvertreib, zu dem wir uns öfter treffen." Ich lächle sie an. "Jeder hat nun mal Bedürfnisse. Die einen mehr, die anderen weniger."

Wie führte man ein anständiges Gespräch, wenn das Gegenüber alles ins lächerliche zog? Das war gar nicht so einfach, wie Helena am eigenen Leibe erfuhr. Über was konnte man sich mit Olive unterhalten ohne, Witze als Antwort zu bekommen? Schuhe? Nein, da kannte sich die Brünette überhaupt nicht aus. ,, Darf ich fragen woher du Blane kennst?‘‘ Ein bisschen neugierig war die 18 Jährige schon. Ob die Zwei Kindheitsfreunde waren und zusammen im selben Sandkasten gespielt hatten? Vielleicht handelte es sich bei ihnen um Nachbarn? Sie wusste es nicht und würde es nur mit viel Glück erfahren. Helena sehnte sich das Ende des Gespräches herbei. Es hatte keinen Sinn sich mit dem Mädchen zu unterhalten. Beide besassen ganz andere Ansichten und im Grunde war es nur eine Frage der Zeit bis Olives Geduldsfaden riss, wenn er das nicht schon getan hatte.

,, Darf ich fragen woher du Blane kennst?‘‘ Oh, wir haben uns draußen auf der Straße gesehen, fanden uns sofort sympathisch und sind direkt übereinander hergefallen. Okay, Spaß beiseite. "Wir kennen uns durch unsere Eltern." So wie ich die ganzen anderen Sprösslinge der wohlhabenderen Leute diese Stadt kenne. Dort eine Gala, eine Unternehmensfeier, eine Einladung zum Brunchen, unsere Eltern schleppten uns überall mit hin. Mit seinen eigenen, wohl erzogenen Kindern konnte man schließlich genauso angeben wie mit Geld und Erfolg. "Ich weiß gar nicht mehr, wie alt wir damals waren. Zwölf oder Dreizehn?" Jedenfalls alt genug, um sich heimlich mit ein paar Flaschen Champagner den Abend interessanter zu machen. Jeder hat schließlich mal klein angefangen.
Ich zucke mit den Schultern und muss mit Bedauern feststellen, dass meine Tasse bereits leer ist. "Wieso fragst du?" Ich grinse breit. "Du scheinst dich ja doch für ihn zu interessieren." Was nicht bedeutet, dass ich jetzt gewillt bin, Helena unsere oder besser gesagt Blanes gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Schließlich war es ja nur ein einmaliger Abend und sie will ihn sowieso nicht wiedersehen. Haha. Als ob.

Ein riesiger Saal, hübsch eingerichtet und mit einem Orchester. In der Mitte eine Tanzfläche, die reichlich genutzt wurde und an der Seite riesige Tische mit Bergen von edlen Nahrungsmitteln. Sah so eine Tanzveranstaltung für die Reichen und Schönen aus? Helena vermutete stark, dass sich die Beiden auf so einem Event getroffen hatten und sich schüchtern lächelnd die Hände reichten. Okay, genug von ihrer Fantasie. ,, Einfach so.‘‘ Aus keinem wichtigen Grund. Zugegeben sie war etwas neugierig, aber das brauchte Olive nicht zu erfahren. ,, Dann seid ihr so was Ähnliches wie Seelenverwandte?‘‘, wich die 18 Jährige der Bemerkung ihres Gegenübers aus. Über was sollte sie sonst mit ihr sprechen? Ein anderes Thema fiel ihr einfach nicht ein. Zu verschieden waren Olive und sie.

"Seelenverwandte?" Ja, aber so richtig. Natürlich nicht. Ich nicke. "Ja, manchmal haben wir auch sowas in der Art wie Gedankenübertragung." Angewidert verziehe ich das Gesicht. "Ziemlich unangenehm, wenn er gerade Sex hat oder auf der Toilette sitzt." Aber nunja, so ist das nunmal, man kann sich nicht aussuchen, welche Gedanken versendet werden. Haha, aber mal ernsthaft: Seelenverwandte? Klar, so bezeichnet man selbst vielleicht die beste Freundin oder den besten Freund, aber wer fragt denn jemand anderen nach sowas? "Wir sind einfach Freunde", füge ich dann ernst hinzu. Schließlich muss ich das arme Mädchen ja nicht durchgehend lächerlich machen. Wobei, das war schon echt eine merkwürdige Frage. Vor allem, was hat sie für eine Antwort erwartet?