Es war immer noch wahnsinnig heiß und Anni hatte heute nur ein kurzes, hellgrünes Kleid an, das farblich zu ihren Augen passte und ihr mit dem auffrischenden Wind sanft um die Beine flatterte. Es gibt wohl bald ein Gewitter, dachte Anita und besah prüfend den bleigrauen Himmel. Ein Donnergrollen war bereits in der Ferne zu hören, hoffentlich würde der Regen zumindest noch so lange brauchen, bis sie beim Motel war. Schließlich wollte sie nicht gerade patschnass ankommen.
Doch die ersten Tropfen waren schnell zugegen, als sie zur Hälfte durch den Park gegangen war und flugs wurden es dickere Tropfen, die Annis leichtes Augenmake-up verlaufen ließen und ihre Haare kräuseln. Das taten sie immer bei Regen, auch wenn sie ansonsten glatt waren. Schnell sah sich Anita nach einer Möglichkeit um, sich unterzustellen. Eine kleine Grillhütte bot sich an, eine von diesen aus Holz, in denen man wettergeschützt seine Grillsachen ausbreiten und verspeisen konnte. Seufzend setzte sich Anita auf eine der abgewetzten Bänke und schlug die Beine übereinander, während sie das Kinn auf ihre Hände stützte. Das blöde an dem Kleid war natürlich, dass man bei Nässe durch den Stoff sehen konnte. Und ausgerechnet heute musste sie einen BH mit Blümchenmuster tragen. Das musste ja ihr passieren.

Ein junger Mann im T-Shirt betrat nun ebenfalls die heruntergekommene Grillhütte und sprach sie nach einem kurzen Moment des Überlegens direkt an. Ein wenig peinlich berührt versuchte Anni, ihm möglichst wenig Sichtfeld auf das durchsichtige Oberteil des Kleides zu gewähren.

"Überrascht, erwartet, irgendetwas dazwischen", sagte sie. "Tut der Natur ganz gut, wenn es mal regnet. Und mir, wenn es sich endlich mal ein bisschen abkühlt." Sie lachte.

Was er hier wohl machte? Vielleicht wollte er seine Freundin treffen. So ein Typ wie er musste eine Frau an seiner Seite wissen. Eine hübsche, große mit einem unglaublich charmanten Lächeln, die bestimmt ab dem Kleinkindalter Ballett getanzt hatte und nun mit einer Anmut daherschritt, dass alle anderen Mädchen blass vor Neid wurden. Anni hatte nie Ballett tanzen können, das war viel zu teuer gewesen. Noch war sie geritten oder hatte anderen teuren Vereinssport betreiben dürfen. Das, was sie gespielt hatte, war Dosenkickern mit den Kindern von den Reihenhäusern in ihrer Nähe.

Sein Lächeln gefiel ihr. Es war offen und ehrlich, wie Anita fand. Dennoch machte sie sich gar keine Hoffnungen, bei ihm landen zu können - außerdem war er bestimmt keinen Tag älter als 20. Und Männer in diesem Alter... Die meinten es ja doch nie richtig ernst mit einer Frau. Zudem glaubte sie noch immer fest daran, dass irgendwo seine schicke Freundin wartete.
Während er redete, fiel ihr erst auf, das sie über Klischeethema Nummer eins sprachen: das Wetter. Wie konnten zwei Menschen nur so vorhersehbar sein? Sie strich sich eine ihrer halblangen Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuchte, das gröbste von ihrem Augenmakeup zu entfernen, das bestimmt schon Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Zu blöd, dass sie keinen Spiegel hatte.

"Bei uns Zuhause sagt man eigentlich immer, dass Buttermilch schön mache", gab sie zurück. Sie dachte zurück an diesen komischen Werbespot, in dem ein attraktiver Mann behauptete, endlich das Geheimnis schöner Frauen zu kennen. Welch ein Unsinn. "Und Regen solle nur beim Wachsen helfen." Was der Mann ihr gegenüber definitiv nicht mehr nötig hatte, er war ordentlich groß, viel größer als sie selbst.